Vom 23. Juli bis zum 6. August 2022 fand das Pfadi-Bundeslager im Goms im Kanton Wallis statt – mit 30 000 TeilnehmerInnen, 5000 ehrenamtlichen Helfern und zahlreichen Besuchern auf einem 120 Hektar grossen Lagergelände. Das Team der BuLa-Notfallstation behandelte in dieser Zeit 500 PatientInnen pro Tag. amétiq war als Sponsorin dabei und durfte das medizinische Team mit der Praxissoftware amétiq siMed unterstützen. Nach Abschluss des Pfadi-Lagers sprachen wir mit dem ärztlichen Leiter Dr. med. Raphael Stolz über seine Erfahrungen und den Einsatz von amétiq siMed.
Herr Dr. Stolz, als medizinischer Leiter des Pfadi-Bundeslagers mit dieser grossen Beteiligung lastete eine grosse Verantwortung auf Ihnen. Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe – hatten Sie bereits Erfahrungen in der Leitung solch grosser Einsätze?
Ich bin seit 18 Jahren ärztlicher Leiter des Sanitätsdiensts am OpenAir St. Gallen, war während einiger Zeit leitender Notarzt Front am WEF und war ebenfalls ärztlicher Leiter bei der letzten grossen Luftfahrtschau AIR14 in Payerne. So ergibt sich eine gewisse Erfahrung mit Grossveranstaltungen. An der AIR14 waren an den Wochenenden weit über 100 000 Zuschauer vor Ort. Irgendjemand erzählte dies dem OK und so kam dann die Anfrage.
Sind Sie selbst auch ein Pfader?
Nein, ich war leider nicht bei der Pfadi, finde es aber eine sehr wertvolle Bewegung für Kinder und Jugendliche. Deshalb unterstütze ich sie mit meinem Einsatz sehr gerne. Gerade auch um den Kindern, die während der Pandemie viel zurückstecken mussten, etwas Spezielles bieten zu können.
Die Vorbereitung des BuLa kostete Sie in den letzten Jahren sicherlich etliche Stunden. Können Sie diese noch zählen?
Es waren unzählige Stunden. Das meine ich wörtlich. Denn wenn man beginnt, Stunden zu zählen, sollte man die Finger lieber von solchen Projekten lassen. Mein Orga-Team und ich zählten die Stunden nicht. Wir hatten immer nur das Ziel vor Augen. Also arbeiteten wir uns einfach von Etappe zu Etappe vor. Je näher das Ziel dann rückte, desto strenger wurde es und der Zeitaufwand stieg natürlich. Aber das Gefühl, als es endlich losging und alles glatt lief, hat uns dafür mehr als entschädigt. Wie bereits erwähnt, bereiteten wir ja nicht zum ersten Mal ein Grossevent vor. Natürlich gibt es dafür keine Blaupause, aber ein paar Dinge konnten wir dadurch schon sehr routiniert planen.
30’000 TeilnehmerInnen und 5’000 ehrenamtliche HelferInnen plus BesucherInnen erfordern ein komplexes Konzept für die medizinische Versorgung vor Ort. Wie konnten Sie diese Versorgung sicherstellen – wie sah die medizinische Infrastruktur im Goms aus?
Das Kernstück der medizinischen Versorgung war die Notfallpraxis auf dem Lagergelände. Untergebracht in einem grossen Festzelt, verfügte die Notfallpraxis neben 18 Behandlungskabinen auch über zwei Behandlungscontainer des Militärs. Hier waren wir auch für kleinere Operationen gerüstet, hatten einen Röntgenapparat und mehrere Ultraschallgeräte zur Verfügung. Zudem gab es Intensivbehandlungsplätze für die Stabilisierung von Patienten vor einer möglichen Verlegung ins Spital. Wir mussten Frakturen in Narkose reponieren. Einige Patienten mussten auch intubiert werden, um die Stabilität für den Transport ins Spital zu garantieren.
Wir betrieben noch zwei Sanitätsaussenposten für die Erstversorgung der Patienten und sieben Krankenwagen standen rund um die Uhr parat.
Was im normalen Praxisalltag die Hausbesuche, waren für uns im BuLa die Zeltbesuche. Dank mobiler Ausstattung und Tablets mit installierter Praxissoftware amétiq siMed konnten wir bettlägerige Patienten auch direkt in ihren Zelten besuchen und behandeln.
Die komplette Versorgung mit Medikamenten erfolgte über eine eigene klimatisierte Lagerapotheke. Ein Labor ergänzte unsere Ausstattung, sodass Laborwerte direkt und schnell vor Ort bestimmt werden konnten.
Bei aller Planung passierten doch sicherlich auch unvorhergesehene Dinge, mit denen Sie spontan umgehen mussten?
Tatsächlich gab es solche Situationen. Bereits während der Aufbauphase quittierten einige Geräte ihren Dienst. Schuld waren die hohen Temperaturen im Sanitätszelt. Zum Glück konnten wir diese Geräte in der klimatisierten Apotheke unterbringen und sie so wieder einsatzfähig machen.
Mit grosser Spannung und entsprechendem Respekt erwarteten wir zudem das Konzert von Hecht am Samstagabend. Denn das Patientenaufkommen kann in die Höhe schnellen, wenn alle BuLa-Teilnehmenden und -Besucher an einem Ort versammelt sind (Anm. d. Red: Auch die Anwohner vom Goms waren eingeladen). Hierzu hatten wir eigens ein Triagezelt vorbereitet, um den Patientenstrom zu kanalisieren. Dies wurde dann zeitweise auch benutzt.
Insgesamt waren 70 ÄrztInnen verschiedener Fachrichtungen und 200 PraxisassistentInnen, Pflegefachleute und RettungssanitäterInnen am BuLa in Teilzeit oder Vollzeit im Einsatz. Wie wurden diese rekrutiert?
Die Rekrutierung des Personals war aufwendig, aber motivierend. Viele Ärzte hatten sich schon freiwillig gemeldet. Mit unserem Netzwerk konnten wir genügend Fachleute rekrutieren. Einzig Rettungssanitäter waren zu Beginn Mangelware, aber am Schluss konnten wir auch dort genügend Leute anwerben. Um eine möglichst umfassende Versorgung zu ermöglichen, war es wichtig, unterschiedliche Fachrichtungen zu berücksichtigen. Weiter mussten wir die Schweizer Landessprachen plus Englisch für unsere internationalen Gäste abdecken. Unterstützend waren auch zwei Sanitätskompanien des Militärs (mit über hundert Einsatzkräften) bei der Versorgung der Patienten im Einsatz.
Ein grosser Dank geht auch an die vielen Pfadileiter, die alle über eine Ersthelfer-Ausbildung verfügen. Diese hatten oft schon vor der Behandlung im Sanitätsaussenposten oder in der Notfallpraxis den ersten Patientenkontakt. Mithilfe aller Beteiligten konnten wir die angestrebte End-to-End-Versorgungskette gewährleisten.
Und wie lief die Einsatzplanung des medizinischen Personals?
Die Einsatzplanung des medizinischen Personals sah eine 24/7-Bereitschaft vor und war in Schichten von 8 bis 10 Stunden für die einzelnen Helfer eingeteilt. Pro Schicht waren zwischen 10 und 20 Ärzte sowie 20 bis 50 Pflegefachpersonen im Einsatz. Die Einsatzplanung stand bereits, als die Helfer vor Ort im Goms eintrafen. So konnten wir sicherstellen, dass wir vom ersten Tag an vollständig einsatzfähig sind und das erwartete hohe Patientenaufkommen bewältigen können.
Was waren hierbei Ihre grössten Herausforderungen?
Herausfordernd war das Teambuilding in der sehr heterogenen Mannschaft. Es galt, unterschiedliche Berufsgruppen mit unterschiedlichem sprachlichem Hintergrund zu einem Team zusammenzuschweissen, Kompetenzen aufzuteilen und klare Prozesse zu definieren. Die Helfer arbeiten im Berufsleben zudem mit unterschiedlichsten Praxisinformationssystemen. Wir mussten nun alle auf ein System schulen und sie schnell fit für den Einsatz machen. Alle diese Herausforderungen führten dazu, dass jeder von uns seine Komfortzone verlassen musste, damit wir gemeinsam funktionieren konnten. Denn im BuLa lief eben nichts «einfach so wie immer». An dieser Stelle möchte ich deshalb dem gesamten Team ein grosses Lob aussprechen. Die Zusammenarbeit und die gegenseitige Unterstützung waren sensationell und funktionierten von der ersten Stunde an.
Es kursiert das Gerücht, dass Sie mit Ihrem Team sogar externe PatientInnen versorgten, die von Air-Zermatt bei Ihnen eingeliefert wurden, also nicht TeilnehmerInnen oder BesucherInnen des Pfadi-Lagers waren. Stimmt das?
Ja, das stimmt und ist kein Gerücht, sondern war vorgängig abgesprochen. Wir wurden tatsächlich von Air Zermatt angeflogen und stellten die Versorgung von verunfallten Personen sicher. Auch die Ambulanzen brachten uns Patienten aus der Region, unsere Notärzte fuhren zudem Einsätze zugunsten der Bevölkerung. Wir hatten die erforderlichen Kapazitäten und vor allem Kompetenzen. Selbstverständlich erklärten wir uns zur Unterstützung bereit. So konnten wir für den Zeitraum des BuLa die Anfahrtszeiten von Ambulanzen im Obergoms massgeblich verkürzen. Normalerweise benötigt der Notarzt für die Fahrt von seinem Stützpunkt in Visp aus ca. eine Stunde ins Obergoms.
amétiq durfte ihre Praxissoftware im Rahmen eines Sponsorings beisteuern. Die Wahl für amétiq siMed trafen Sie, Herr Dr. Stolz. Welche Vorteile bietet amétiq siMed aus Ihrer Sicht für den Einsatz an einer Grossveranstaltung wie dem BuLa?
In meiner Praxis zur Rehburg in St. Gallen arbeiten wir bereits seit acht Jahren erfolgreich mit amétiq siMed. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, wie einfach und schnell die Einarbeitung von neuen Mitarbeitenden in die Praxissoftware funktioniert. Genau diesen Vorteil machten wir uns beim BuLa zunutze. Ein grosser Teil des Fachpersonals kannte die Software vorher nicht; die Bedienung wurde aber sehr schnell verstanden. Ihr Übriges tat auch die ansprechende Benutzeroberfläche, die den Nutzern ein positives Erlebnis bereitet. Zudem war das in amétiq siMed erfahrene Personal meiner Praxis vor Ort zugegen und konnte wertvolle Unterstützung bei der Einarbeitung und bei aufkommenden Fragen leisten.
Ein weiterer grosser Vorteil von amétiq siMed ist, dass die Software cloudbasiert ist. Eine aufwendige IT-Infrastruktur vor Ort war damit überflüssig. Wir benötigten für unsere Arbeit mit dem Programm lediglich Laptops und eine stabile Internetverbindung. Ein weiteres Plus war die amétiq siMed App. Unterwegs auf dem Zeltplatz war es so jederzeit möglich, gewisse Informationen abzurufen. amétiq unterstützte uns im Vorfeld bei der Einrichtung der Software für unseren Einsatz am BuLa. So war die Software schnell einsatzbereit und lief während des gesamten Zeitraums stabil. Die Logistikabteilung der Pfadfinder leistete ebenfalls hervorragende Arbeit und errichtete einen superstabilen Zugang zum Internet via Glasfaserkabel!
Gerechnet wurde mit bis zu 800 PatientInnen pro Tag. Waren es tatsächlich so viele PatientInnen und was waren die Behandlungsschwerpunkte?
Nein, es waren schliesslich maximal knapp 500 Patienten an einem Tag. Viel mehr wären da wohl nicht machbar gewesen, ohne an der Qualität zu schrauben. Diese Erfahrungen sind aber äusserst wertvoll für weitere Lager in der Zukunft.
Bei den Arten der Behandlungen war ein grosses Spektrum vertreten. Da sind kleine Verletzungen und Unfälle zu nennen wie zum Beispiel Schnittwunden, Prellungen, Verstauchungen und Insektenstiche. Es gab aber auch grössere Verletzungen wie Knochenbrüche und Verbrennungen oder Infektionen (Corona) und sonstige Erkrankungen. Diese reichten von Blinddarm über Nierensteine bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen und Schocks.
Wie sieht die Bilanz des BuLa aus Ihrer medizinischen Sicht aus, Herr Dr. Stolz?
Wir vom medizinischen Team ziehen eine durchweg positive Bilanz. Dankenswerterweise gab es keine lebensgefährdenden Notfälle, beziehungsweise wir konnten die ganz schweren Fälle sehr gut managen. So wurde es dann nie gefährlich für die Patienten. Weiterhin ist sehr positiv, wie schnell sich das Team der Notfallpraxis einspielte, gut zusammenarbeitete und insbesondere auch interprofessionell hervorragend arbeitete.
Wichtig war auch, dass amétiq siMed jederzeit einsatzbereit war und die Mitarbeitenden schnell eingearbeitet werden konnten. Die Praxissoftware war die perfekte Unterstützung hinsichtlich Patientenadministration, Behandlungsdokumentation und Abrechnung.
Aber auch die hervorragende Organisation des BuLa sollte hier nicht unerwähnt bleiben, denn alle Bereiche waren gut vernetzt und organisiert. Die Stimmung im ganzen Lager wie auch in unserem Team war toll, zumindest soweit wir das neben unserer Arbeit mitbekamen.
Ich freue mich, dass mein Team und ich zu einem gelungenen BuLa beitragen durften.
Wir bedanken uns bei Dr. Raphael Stolz und seinem Praxisteam für den Einsatz am BuLa und für dieses Interview!